Israel braucht Freundinnen und Freunde

Meine ganz persönlichen Reiseeindrücke und -gedanken.

Israel braucht Freundinnen und Freunde

 

Meine ganz persönlichen Reiseeindrücke und -gedanken. 

Knapp sechs Tage war ich Anfang Februar in Israel. NUR sechs Tage. Aber immerhin ziemlich genau 121 prall gefüllte Stunden.Was ich in dieser Zeit erlebt habe: Praktisch keinen Tourismus. Dafür viele wertvolle Begegnungen, Gespräche, Diskussionen. 

Meine selbstgesteckte Aufgabe dabei: Zuhören.
Lernen.
Mitfühlen. Immer neu versuchen, wenigstens ein bisschen zu verstehen.
Meine vorsichtige, absolut subjektive Bilanz:

Jeder in Israel steht unter starker Spannung, ist verunsichert, aufgewühlt, direkt oder indirekt betroffen, verwundert oder verstört. Ein Schatten liegt über dem ganzen Land. 
Der 7. Oktober, die unfassbare Brutalität der Terroristen und ihrer Helfershelfer an diesem Tag (ich erfahre, dass nicht etwa nur Hamas-Kämpfer gemordet, vergewaltigt, geplündert, zerstört und entführt haben, sondern auch etliche „ganz normale“ Menschen, Mitläufer, denen man Jahrzehntelang eingetrichtert hat, dass alle Juden den Tod verdienen), haben eine ganze Nation traumatisiert, erklärt mir eine Psychologin. 
Aus guter Quelle erfahre ich, dass israelische Soldaten in den Wohnungen palästinensischer Familien in Gaza häufig Waffen finden. In der Regel im Kinderzimmer. „Unbeteiligte“ Zivilisten scheinen die Ausnahme zu sein.
Umgekehrt erleben Palästinenser in Gaza, aber auch im Westjordanland, keinen Moment der Ruhe mehr, weil die israelische Armee auf der Suche nach Terroristen mit aller Härte vorgeht. Wer das erlebt, fühlt sich seiner Freiheit, ja seiner Würde beraubt. Viele Palästinenser sehen nur eine Alternative: Auswandern.
Besonders schlecht dran sind die etwa 500 palästinensischen Christinnen und Christen, die noch in Gaza ausharren müssen. Sie finden in den wenigen Kirchen eine notdürftige Zuflucht und ernähren sich mehr schlecht als recht von Vorräten. Manchen von ihnen wurde von Muslimen die Wohnungen weggenommen. Zurückkehren werden sie nie mehr können. Aber wohin denn dann?
Während über unseren Köpfen große Hubschrauber Lasten Richtung Gaza transportieren, spüre ich in beinahe jedem Gespräch die Angst vor dem, was demnächst „ im Norden“ losgehen könnte. Dort im Libanon soll die Hisbollah mehr Raketen auf Israel gerichtet haben als sämtliche NATO-Staaten zusammen besitzen, höre ich.
Ich erlebe: Jede Information kann man hier aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Jeder oder fast jeder scheint nur s e i n e Sicht für die Wahrheit zu halten. Jede ist direkt oder indirekt tief betroffen, verletzt und mehr oder weniger zornig.
Die fast logische Folge: Alte Gräben werden noch tiefer. Neue Gräben entstehen. Misstrauen wächst. Freundschaften zerbrechen. Viele bewaffnen sich mit Worten und mit Gewehren.

Worum konkret sollten wir denn da beten? frage ich. Und bekomme oft zunächst ratloses Achselzucken als Antwort.
Wie könnte ich, könnten wir, von Deutschland aus helfen? frage ich weiter.
Und sammle diese konkreten Vorschläge:

Beten
Das Gebet für Israel ist wichtiger als jede andere Form der Hilfe, sagen mir viele meiner Gesprächspartnerinnen und -Partner. Und konkret schlagen sie vor:
Betet um Weisheit für die Politiker in Deutschland, deren Taten für Israel oft nicht zu den Worten passen. 
Betet darum, dass die Geiseln möglichst bald befreit werden und dass sie dann nach den unfassbaren Leiden wieder psychisch Boden unter die Füße bekommen. 
Betet darum, dass die wenigen Christen in der Region trotz Spannungen und Krieg die Kraft zum Durchhalten bewahren können. Und zum Lieben. Und zum Hoffen. 
Betet um Frieden an Israels Grenzen. 
Betet darum, dass Gott mit seinem Volk ans Ziel kommt und Gerechtigkeit, Sicherheit und Frieden möglich werden. Für alle Menschen. 
Herr, erbarme Dich.

Informieren 
Der Krieg Israels gegen die Hamas als Reaktion auf den schlimmsten Terrorangriff aller Zeiten auf dieses Land ist auch eine Propagandaschlacht. Fakenews verdrehen die Wahrheit. Die Infos aus dem Gaza-Streifen (z.B. zur Zahl der Toten) sind alles andere als objektiv, sondern im Sinne der Hamas. Wer immer nur auf die eine Seite hört, weiß zu wenig.

Wir leben in einer Zeit, in dem wir freien Zugang zu vielen Medien und Informationskanälen haben. Es lohnt sich, verschiedene Positionen zu hören und sich so ein Bild zu machen. Der Konflikt ist kompliziert, sehr sogar. Die schnelle Schlagzeile reicht da nicht aus. Beim Verstehen und Einordnen aber kann z. B. die Website helfen.

Zeichen der Solidarität mit Israel setzen
Wenn mein Freund mal in einer Krise steckt, bleibt er trotzdem mein Freund. Gerade dann, wenn andere ihn fertigmachen wollen, soll er sich auf mich verlassen können. Dann muss er sehen und spüren, dass ich an seiner Seite bin. Selbst wenn er mal einen Fehler machen oder übers Ziel hinausschießen sollte.
Und wie könnten wir Israel, Gottes großer Liebe, in diesen Zeiten unsere besondere Freundschaft zeigen? frage ich andere und mich selbst.
Vielleicht mit Demos, die die Verbundenheit mit Israel gerade jetzt ausdrücken und sich sehr eindeutig abgrenzen von jeder Art von Antisemitismus. 
Vielleicht mit informativen Veranstaltungen zum Thema in der Kirchengemeinde, mit Friedensgebeten und speziellen Israel-Gottesdiensten.
Vielleicht mit klaren und wertschätzend formulierten Posts bei Facebook und Co. 
Auf jeden Fall im Gespräch mit Freundinnen, Nachbarn, Kollegen oder Stammtisch-Freundinnen. Möglichkeiten gibt es genug.

Spenden
Gerade jetzt während des Krieges fällt für etliche in Israel aktive Organisationen die finanzielle Unterstützung durch Touristen weg.  Ihre Arbeit aber ist weiterhin wertvoll und sie kostet Geld.
Ich nenne hier nur zwei Namen, die ich gerade jetzt für unterstützenswert halte: 
Zedaka, eine rührige Organisation aus dem Schwarzwald, die mittellosen Holocaust-Überlebenden Urlaubszeiten und Unterstützung möglich macht. Hier geht es zur Website.
Und Lifegate, ein Rehazentrum für palästinensische Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen. Von Beit Jala aus hilft Lifegate auf verschiedenen Wegen auch notleidenden Menschen in Gaza. Hier geht es zur Website.
Danke im Voraus.

Mut machen 
Kennt ihr Israelis oder in Israel oder in den Palästinensergebiete lebende Menschen persönlich? 
Dann schreibt ihnen bitte jetzt, schickt Fotos, Audiobotschaften und Grüße, lasst sie spüren, dass sie Euch wichtig sind. 
Bitte denkt dran: Sie brauchen jetzt definitiv keine Belehrungen und keine Ratschläge. Aber Zuneigung, Ermutigung und Stärkung benötigen sie heute mehr denn je.

Nach Israel reisen 
Israels Wirtschaft und speziell der Tourismus leiden massiv unter dem Krieg. Auch sehr viele Palästinenser haben dadurch Job und Einkommen verloren. 
Nicht jeder von uns will oder kann in Kriegszeiten alleine durchs Land reisen. Mancher aber schließt sich Solidaritätsreisen an, kommt als Erntehelfer oder besucht Freunde. Und sobald es ruhiger wird, könnten auch die kommen, die sich jetzt noch schwer tun. 
Israel braucht solche Besuche. Ganz dringend!

Zum Schluss: 
Meine Stippvisite in Israel war für mich eine sehr wertvolle Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Schockierend, aufwühlend, verstörend, bewegend, inspirierend, anregend und bereichernd zugleich. 
Ich geriet nie in Gefahr, war überall herzlich willkommen, konnte viele Freundinnen und Freunde treffen, war in Jerusalem und im Westjordanland unterwegs, im Süden und im Norden des Landes.

Als ich am Nachmittag des 6. Februar ins Flugzeug einstieg, entdeckte ich einen Spruch, der mir schon bei der Ankunft aufgefallen war:
„Welcome to Israel. 
Your life will never be the same.“ 
Nach dieser Reise kann ich sagen: STIMMT.

 

Fotos: Christoph Zehendner